11 Januar 2006

Der Chef ist die message

"Oft tragen die Konzernchefs selbst dazu bei, daß sie in Ungnade fallen." Das schrieb die Tageszeitung "Die Welt" in ihrer Neujahrsausgabe. Gleichzeitig brachte das Springer-Blatt auf den Punkt, was für Manager 2006 auf der Agenda steht. "Zwölf goldene Regeln" listet "Die Welt" auf, damit Vorstände und Aufsichtsräte aus Fehlern und Erfolgen des vorigen Jahres lernen können. "Wer sie befolgt", so "Welt", "könnte künftig einen besseren Stand bei Aktionären, Mitarbeitern und Medien haben."

"... paßt auf, was Ihr wann sagt!" rät "Die Welt" den Wirtschaftsführern unter anderem. Richtige Kommunikation sei wichtig. "Wie man es nicht macht, hat die Deutsche Bank demonstriert. Genau als die Bundesrepublik erstmals in der Geschichte mehr als fünf Millionen Arbeitslose zu verdauen hatte, verkündete Josef Ackermann den Abbau von 6400 Stellen. Quasi als Sahnehäubchen gab es noch einen Milliardengewinn dazu. Die Republik war empört - und das, obwohl zuvor vom Stellenabbau über den Milliardengewinn bis zu den fünf Millionen Arbeitslosen alles schon absehbar war."

Übrigens: Neben News Timing, Wortwahl und Themenagenda knacken Unternehmenslenker in Sachen Kommunikation regelmäßig am Thema Personalisierung. Das stellen wir von Wiegand & Wiegand in unseren Inhouse-Trainings, offenen Seminaren und Coaching-Workshops immer wieder fest.

"Soll ich mich wirklich persönlich vor die Presse begeben?" ist eine häufig gestellte Firmenchef-Frage nicht nur zu Krisenzeiten. Unsere Antwort: Journalismus funktioniert nun mal über Köpfe, denn Leser/Hörer/Zuschauer finden nichts spannender, als Menschen. Ein kopfloses Unternehmen wirkt unpersönlich, kalt und womöglich bedrohlich (freilich können auch Menschen dieses Gefühl erzeugen).

Also bleibt der persönliche Medienauftritt in guten wie in schlechten Zeiten für deutsche Führungskräfte auch 2006 eine wichtige Baustelle. Wer sich zeigt und dabei glaubwürdig und authentisch bleibt, positioniert sein Unternehmen (und sich!) erfolgreich in der Öffentlichkeit - und das kann unbezifferbaren geldwerten Vorteil haben!

Die Macht der Presse...

Das ist Luxus pur im deutschen Journalismus: Eine Redaktion, die es sich leisten kann, heisse Geschichten notfalls auch mit Millionenaufwand zu recherchieren.

"Stern"-Chefredakteur Thomas Osterkorn berichtete Teilnehmern eines Medien-Workshops kürzlich von den Möglichkeiten seines Magazins, erhebliche Finanzmittel für Aktualitäten oder Enthüllungen einsetzen zu können.

Das ist gut für den "Stern". Er kann somit publizistische Unabhängigkeit auch bei Kollisionen mit Interessen seiner Anzeigenkunden wahren. Kleinere Redaktionen tun sich da schon schwerer.

Kristina Hansen, ZDF-Korrespondentin in Hamburg, beklagte bei der gleichen Veranstaltung die mangelnde Geschmeidigkeit vieler Unternehmen beim Umgang mit Medien. Oft seien Firmen-Pressesprecher nicht einmal bei Vorstandssitzungen dabei. Das führe dazu, dass Kommunikateure der Wirtschaft bei Journalistenanrufen ahnungslos bis bedröppelt dastünden. Fatal, wenn es schnell gehen muss - etwa im Krisenfall!

Wer übrigens glaubt, Medien könnten "gekauft" werden, stößt nicht nur bei den Großen der Medienrepublik auf Granit. Auch private Kommerzsender wie "Radio Hamburg" lehnen das ab. Platte product placements im Rahmen journalistischer Wortbeiträge seien für die Nr. 1 der hamburgischen Rundfunkszene kein Thema, beteuerte Sprecherin Martina Müller beim gleichen Workshop. Wer so etwas wünsche, müsse sich ans Marketing wenden, nicht an die Redaktion.

Fazit: Die sogenannte Medienkrise (Werbungsrückgänge, Redaktionsausdünnungen, Fusionen) hat zwar unbestreitbar hier und da eine Aufweichung zwischen Public Relations und Publizistik hervorgerufen. Dennoch ist es irrig anzunehmen, Journalisten würden ihre Grundsätze mal eben so über Bord werfen. Kommunikation bleibt die Aufgabe, im Kontakt mit der Presse authentisch und glaubwürdig zu bleiben sowie die Spielregeln des Journalismus zu kennen!