31 Oktober 2005

Alle gehen, die Presse bleibt

Der bisherige Kanzler geht sowieso. Der künftige Vizekanzler geht aber auch. Und der designierte Bundeswirtschaftsminister gleich mit. Wird die vorgesehene Kanzlerin überhaupt zum Zuge kommen? Ein Polit-Szenario, mit dem so wohl kaum einer gerechnet hat.

Für die Medien ist das jetzt oberspannend. BAD NEWS IS GOOD NEWS. Fette Schlagzeilen, TV-Brennpunkte und "breaking news" im Radio bringen Auflagen und Einschaltquoten.

So ist das eben. Die Presse ist kein Wohlfahrtsverein. Sie besteht aus gewinnorientierten Unternehmen. So, wie andere es auch sind.

Auch für Kommunikationsexperten ist spannend, was jetzt in Berlin passiert. Mit Gerhard Schröder tritt ein "Medienkanzler" ab - schade eigentlich. Seine vorgesehene Nachfolgerin wird dessen argumentative Agilität so wohl niemals ereichen - aber wird Angela Merkel es denn noch? Stoiber wiederum liess jüngst kaum ein mediales Fettnäpfchen aus, während "Münte" fast schon knorrig-kultig wirkte - nun fällt ein Baum.

Welche Argumente werden jetzt herausgeholt, um aus dem jeweiligen Schlamassel zu kommen? Welche Strategien werden gefahren werden? Wie werden die Medien reagieren?

Es lohnt sich derzeit in Deutschland, sorgfältig Presse, Funk und Fernsehen zu studieren!

28 September 2005

Medienmasche: Erst schlechtschreiben, dann schönreden

Erst schrieben sie die Bundesrepublik schlecht, nun wollen sie Deutschland hochloben. Und sie meinen, damit davonzukommen. Wer? Unsere lieben Medienunternehmen...

"Du bist Deutschland!" heisst die größte Social Marketing Kampagne in der Geschichte unseres Landes. Das Projekt im Wert von rund 30 Millionen Euro läuft vier Monate auf den wichtigsten Sendern, begleitet von ganzseitigen Anzeigen in Zeitungen und Magazinen. Getragen wird es von... den 25 großen Medienunternehmen sowie Rundfunk- und Fernsehanstalten.
Ziel der Kampagne ist es, die Deutschen zu mehr Optimismus und weniger Miesmacherei zu erziehen. "Deutschland redet sich selbst schlecht", sagt Bernd Kundrun, Vorstandvorsitzender von Gruner+Jahr („Stern“, „FTD“, „Gala“). Man wolle den Menschen mit Unterstützung Prominenter wie Michael und Ralf Schumacher Mut machen.

Aber: "Diese Kampagne baut Illusionen auf, denn Mut allein bringt es nicht." Sagen Kritiker.

"Wer hat denn den Standort schlecht geredet – wer hat denn die letzten Jahre immer wieder gesagt, dass Deutschland zu teuer ist?", fragt ein Blogger.

Ein anderer schimpft: "Sind deutsche Promis wie die Rennfahrerbrüder Schumacher glaubwürdige Mutmacher für Deutschland, wenn sie Steuern in Österreich bzw. der Schweiz zahlen?“

Ein weiterer Webschreiber fleht: "Und hört auf, mich dauernd zu duzen!"

"Du bist Deutschland!" – eine Medienkampagne mit Fragezeichen, die bald verpufft? Schon denkbar.

09 September 2005

Das Undenkbare: Eine New-Orleans-Flut, auch in Europa?

Ein furchtbarer Sturm ist nachts über die Nordsee getobt. Eine Springflut zerschmetterte zahlreiche Deiche. Die Niederlande, eines der am dichtesten besiedleten Länder der Welt, wurden überflutet. Die Bilanz: Über 1.800 Tote, mehr als 70.000 Evakuierte, 200.000 ertrunkene Nutztiere. Riesige Ackerplächen wurden durch Salzwasser unbrauchbar...

Was wie das Undenkbare klingt, ist wirklich passiert. Das war 1953. Nach der "Hollandflut" igelten sich die weitgehend unter Meeresspiegel liegenden Niederlande regelrecht ein. In den 80er Jahren wurde das gigantischste Deichbauprojekt der Welt abgeschlossen.

Könnte der "blanke Hans" dennoch wieder grausam zuschlagen? Unter gewissen Bedingungen schon, fürchtet Peter Dolen, Chef des niederländischen Krisenkommunikationszentrums. "Am Schreibtisch kann man jeden Plan aushecken, aber man weiß, das die Wirklichkeit anders sein wird."
Seit New Orleans 2005 wissen auch Europäer wieder, dass Undenkbares gedacht werden muss...

31 August 2005

"Charisma" - das Zauberwort für Erfolg?

Haben Sie vor einigen Tag im ZDF heute journal gesehen, wie sich Heinrich von Pierer im ZDF als Wirtschaftsberater der Kanzlerkandidatin Angela Merkel präsentiert hat? Rein kommunikativ gesehen war es keine Glanzvorstellung des einstigen Siemens-Chefs. Kein einziges Lächeln, keine begeisternde Gestik, kein emotional anrührendes Wort.

Das sagt nichts über die fraglos vorhandene Themenkompetenz von Pierers. Aber: Image ist in einer Mediengesellschaft zentral gefragt. Wer Andere überzeugen will, muss sich medial gut "verkaufen". Wer mausgrau oder espritlos wirkt, dem drohen Nichtbeachtung oder Schlechtschreiben. Denn Journalisten personalisieren gerne - Fakten, Fakten, Fakten allein sind eben doch nicht alles.
Freilich: Charisma kann nicht alles richten. Das spüren vor allem Politiker. Besonders in Wahlkampfzeiten. So steht Bundeskanzler Gerhard Schröder bei Umfragen über seine Ausstrahlungskraft stets weit vor Merkel. Doch in Stimmprozenten oder Siegeschancen schlägt sich das derzeit für Schröder nicht gerade wieder.

Image ist eine Sache - durchschlagende Wirkung eine andere. Nur wer angemessenes Auftreten und anschauliche Argumente in Einklang bringen kann, wird guter Kommunikator und angesehene Persönlichkeit zugleich. Man kann das trainieren - und sollte es auch, wenn der öffentliche Auftritt wichtig ist.

"Worte können lügen, der Körper lügt nie"
-da ist viel dran

Ach ja, nebenbei gesagt: Das nächste Medientraining von Wiegand & Wiegand dreht sich genau um dieses Thema: "Stilvoll auftreten - souverän agieren" (Hamburg, 26. + 27. 10. 2005, mehr bei MedienTraining@WiegandMedia.de).

Unterdessen sollten wir uns anschauen, welche Aura Schröder und Merkel beim "Kanzlerduell" um sich verbreiten werden. Der Countdown läuft. In wenigen Tagen ist es soweit. Termin: Kommender Sonntag, 4. September 2005, 20.15 Uhr auf mehreren TV-Kanälen. Schauen Sie hin!

06 August 2005

Korruption, Wegducken, Krisenmanagement

"Korruption". "Schmiergeld". "Bestechung". Hässliche Worte. Zumindest im Deutschen. Nun hört man sie im Zusammenhang mit BMW. Oder VW. Oder DaimlerChrysler. Oder Infineon. Oder Commerzbank. Oder, oder, oder...

Eine ganz Zunft steht im Zwielicht: Die Manager. Ein gefundenes Fressen für Medien - ob berechtigt oder nicht. Journalisten stricken Stories nach dem Opfer/Täter-Prinzip. Der Schuldige ist immer der CEO. Von ihm wollen Reporter Antworten. Nicht vom Pressesprecher. Weil nur der CEO der wirkliche Kopf eines Unternehmens ist.

Auch Politiker müssen ihren Kopf hinhalten. Warum also zickte Kanzlerherausforderin Angelika Merkel wegen eines zweiten TV-Duells mit Amtsinhaber Gerhard Schröder? Die Medien spekulieren. Das kommt nicht gut. Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung: Merkels Fernsehduell-Drückebergerei nenne man im Norden "Bangbüx", im Süden "Trauminet".

Übrigens: Medien sind von Fehltritten nicht frei. Als größte Krise des öffentlich-rechtlichen Fernsehens seit der Nachkriegszeit bezeichnen Medienexperten den ARD-Schleichwerbungsskandal. Als Teil ihres Krisenmanagements beschlossen die ARD-Intendanten eine "Clearing-Stelle".

Das Image des aus Zwangsgebühren finanzierten Rundfunks hat dennoch arg gelitten. Umgang mit den Medien - eine Kunst, in der sich nun also auch Medien üben müssen. Mal sehen, wie sich die Fernsehköpfe schlagen!

18 Mai 2005

Manager Bashing - wer ist schuld?

Deutsche Führungskräfte haben es zur Zeit nicht leicht. Fast täglich treiben die Medien einen Manager durchs Dorf. Und Politiker sekundieren.

Die Mehrheit der Deutschen glaubt inzwischen, die Wirtschaft habe zu viel Einfluss, fand Ipsos heraus. Besonders die CEOs von Großkonzernen sind beliebte Zielscheiben. Ob Werner Seifert von der Deutschen Börse oder Lutz Ackermann von der Deutschen Bank - selten wurden Unternehmenskapitäne so gezielt als "Bösewichter der Wirtschaft" personalisiert.

"Derzeit ist der Ruf der Unternehmer miserabel", konstatiert Berthold Leibinger, Geschäftsführender Gesellschafter des Maschinenbauers Trumpf. Der Trend zum "Manager-Bashing" schadet nicht nur den big players. Er kratzt am Ruf der gesamten Zunft von Führungskräften bis hinunter zum Autohaus um die Ecke.

Sind "die Journalisten" an diesem Image-GAU der deutschen Wirtschaftselite schuld? Nein, nicht nur. Deutsche Führungskräfte tun zu wenig für ihr Ansehen.

Kommunikationsfähigkeit ist nicht unbedingt das Kriterium, wonach Lenkungsspitzen ausgesucht werden. Medienkunde gehört nicht zum Curriculum für Betriebswirtschaftler, Volkswirte, Juristen oder Ingenieure. Die meisten Führungskräfte haben gelernt, ausschließlich in ökonomischen Kriterien zu denken - der angeblich "weiche" Faktor Image fliesst nicht in Statistiken ein

Aber in einer Mediengesellschaft reicht es nicht, aufwändige Hochglanz-Broschüren zu drucken und bei unangenehmen Fragen den Pressesprecher vorzuschicken - oder sich wegzuducken. Verantwortung bedeutet auch Flagge zu zeigen - und zwar in verständlicher, glaubwürdiger und authentischer Form.

Der Auftritt vor Öffentlichkeit und Medien muss geübt werden. Kaum jemand ist ein Naturtalent.

Also Nachsitzen für Führungskräfte? Warum eigentlich nicht? Ein professionelles Medientraining oder Kommunikationscoachinmg kann niemals schaden...

Wiegand & Wiegand Media Services
Communication - Consulting - Coaching
http://www.WiegandMedia.de

13 April 2005

Die PR-Geheimnisse von Karol-Superstar


Ob man ihn nun heilig findet oder nicht. Ob man seine Lehren befürwortet oder ablehnt. Ob man überhaupt gläubig ist oder nicht... -

... Eines kann jede Führungskraft von Johannes Paul II. abgucken: In der Mediengesellschaft siegen lernen!
Denn der verstorbene Papst beherzigte eisern drei Grundsätze für erfolgreiche Public Relations:

1. Sich persönlich einbringen. Johannes Paul II. nutzte nicht nur selbstverständlich und systematisch alle alten und neuen Medien zur Kommunikation, sondern stellte sich auch selbst ins Rampenlicht. Bei Audienzen in Rom und auf Reisen ging der Papst gezielt auf unterschiedlichste Menschen zu - und ließ die Medien zusehen. Damit kreierte er Bilder und bediente den journalistischen Wunsch nach Personalisierung von Themen. Und wirkte wie ein präsenter und humaner Oberhirte, den man mögen musste.

2. Knapp und klar sprechen. Johannes Paul II. redete gerne volkstümlich. Verquaste Theologen-Fachsprache mied er in der Öffentlichkeit. So blieben seine Worte hängen. Drei Beispiele: * "Ich wäre bereit, sogar mit dem Teufel zu reden, wenn es um Wahrheit, Religion und Menschenrechte geht." (Auf dem Flug von Nairobi nach Casablanca, 19. August 1985). * "Nennt mich einfach Karol!" (Manila, 14. Januar 1995, zu jugendlichen Gläubigen). * "Auch ich gehöre zu denen, die gerne wieder jung sein möchten." (Rom, 6. April 1996).

3. Authentisch bleiben. Kein "Promi" unserer Zeit schien so unerreichbar wie Johannes Paul II. zu sein. Dennoch identifizierten sich Millionen Menschen mit ihm. Sein Geheimnis: Der Papst blieb im Pontifikat so echt wie als Priester, verstellte sich nicht, war menschlich glaubwürdig. Vatikankorrespondent Andreas Englisch über seine erste Begegnung: "Ich hatte erwartet, eine Majestät anzutreffen. Aber Karol Wojtyla hatte keine Spur von herablassender Güte an sich. Im Gegenteil. Er wirkte, als wäre es ihm ein wenig peinlich, dass er der Papst ist."


Manager sind keine Päpste. Und in der Wirtschaft geht es kaum um Spiritualität und Glaubenssachen. Dennoch: Johannes Paul II. war in Sachen PR ein Lehrbeispiel für einen guten Kommunikator.
Manch Führungskraft könnte sich von ihm beim öffentlichen Auftritt eine dicke Scheibe abschneiden.