19 Juni 2007

Klebrige Cola am Reporterfinger?

Journalistische CocaCola-Effekte


Medien müssten unabhängig sein von Politikern, sagte die schweizerische Bundesrätin Doris Leuthard (CVP) bei der Verleihung des Zürcher Journalistenpreises am 12. Juli 07 vor versammelter Polit- und Medienprominenz. Das gelte aber auch umgekehrt: «Für den Politiker sollten ebenso wenig die Zahl der eingereichten Vorstösse als auch die Zahl der selber inszenierten Medien-Hipes zur Messlatte für die Wiederwahl werden.» Politiker und Medienleute sollten sich deshalb nicht ins gleiche Boot setzen.


Aber sie habe nichts dagegen, «wenn Sie uns in einem anderen Boot begleiten, denn Sie können genau beobachten und dort Distanz halten, wo Politiker in gefährliche Strudel hineinmanövrieren».


Die Erwartungen, die sie als Bundesrätin in Politik und Verwaltung setze, habe sie auch an die Medienschaffenden: «Von ihnen erwarte ich mehr als nur Cola-Effekte.» Gemeint sind die Auswirkungen von vor dem Öffnen zu kräftig geschüttelten Flaschen: klebrige Finger und die Hälfte verschüttet.


Dass die Medien gerne Selbstdarsteller ins Scheinwerferlicht rückten und Indiskretionen genüsslich ausbreiteten, sei ihnen dabei nicht übel zu nehmen. Als «scheinheilig» bezeichnete Leuthard aber jene Medien, die aktiv Plattformen oder sogar Entschädigungen an «Indiskretionisten» anböten.


Hingegen begrüsste die Bundesrätin, wenn sich Medienschaffende die Mühe machten, ein Thema länger als nur 20 Minuten zu verfolgen. Legislative, Exekutive wie auch Stimmbürgerinnen und Stimmbürger seien auf eine sachliche und kritische Berichterstattung angewiesen, denn: «Nur Qualität führt dazu, dass das Verfalldatum journalistischer Beiträge das Data auf dem Joghurt überdauert und die Medienlektüre nicht zum intellektuellen Junkfood wird.»


Homepage: http://www.doris-leuthard.ch/

08 Juni 2007

Grässlicher PR-Einfluss?


  • Ist der zunehmende Einfluss der Public Relations auf den Journalismus "grässlich", wie Jan-Eric Peters, Leiter der Axel Springer Academy, kürzlich öffentlich beklagte?

  • Ist die verstärkt zu beobachtende Symbiose zwischen PR und Medien schlicht ein Zeitentrend?

  • Oder kann es sein, dass deutsche Journalisten - auch durch verlegerischen Kostendruck - zu schwach sind, die süße Versuchung wohlfeilen Tands von Spin-Doktoren und Öffentlichkeitsarbeitern fernzuhalten?
Die wieder aufgeflammte Diskussion um Ethik im Journalismus geht einher mit dem Nachdenken über Corporate oder Social Responsibility von Wirtschaftsunternehmen. Beide Teile sind jeweils die andere Seite der Kommunikationsmedaille. Das managermagazin wies kürzlich nach, dass mancher Top-Manager immer noch meint, Print- und elektronische Medien mit dem Gängelband führen zu können - oder durch Tarnen & Täuschen.


Doch wer sich so beraten lässt, der ist falsch gewickelt. Denn:

  1. ist die Pressefreiheit grundgesetzlich geschützt und

  2. steht es Firmenlenkern gut an, die Zeichen der Transparenz und Glaubwürdigkeit im Zeitalter der globalisierten Informationsgesellschaft zu erkennen.
Nicht nur in der Wirtschaft, selbst in der Kunst gibt es Leute, die Medien als reine Plattform für die eigene Inszenierung verstehen. Im vergangenen Jahr herrschte bei Journalisten große Aufregung um knebelnde Verträge für die Berichterstattung über die Robbie Williams-Tournee; Nachrichtenagenturen und Lokalzeitungen verzichteten aus Protest auf Berichte, Deutschlands meistgehörter Radiosender SWR3 beendete seine Kooperation mit dem Pop-Sänger.


Robbie Williams war kein Einzelfall. Immer häufiger wollen Musikmanagements die

Information über ihre Künstler komplett kontrollieren. So, wie Beyoncé:
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hat Text- und Bildjournalisten davon abgeraten, den Akkreditierungsvertrag zu den Konzerten des US-Popstars Beyoncé in Deutschland zu unterschreiben. Begründung: es handele sich um einen Knebelvertrag. So sollten Fotos nur während der ersten 30 Sekunden des Konzertes aufgenommen werden dürfen, TV-Kameras nach der ersten Minute des ersten Songs abgeschaltet werden und Fotoagenturen gar nicht zugelassen werden. --- Wiegand & Wiegand meinen: Ehrlichen Journalismus kann man nicht kaufen, lasst die Finger von Knebeleien!